Zweite Christie Conference in Exeter: Hidden Horizonts

Abgesehen von vierzig Minuten Verspätung klappt mein Flug von Münster-Osnabrück nach London-Southend reibungslos. Der „Express“ nach London Liverpool ist leider übervoll. Nur mit Mühe finde ich einen Platz für mich und meinen Koffer. Am nächsten Tag fahren Norman und ich mit dem Zug nach Exeter zur Konferenz „Agatha Christie – Hidden Horizonts“ an der University of Exeter.

Marta Zaga referiert im ersten Vortrag über Agatha Christies Vorliebe für Nursery Rhymes: manchmal sind sie für den Inhalt des Romans wichtig („Ten little Indians“, „A pocketful of rye“), manchmal lautet der Titel einfach nur so (z.B. „Hickory Dickory Dock“, „One, two, buckle my shoe“). Der zweite Vortrag bezieht sich auf AB Cust aus den „ABC murders“, was das mit „From Politics to Ethics“ zu tun haben soll, erschloss sich mir allerdings nicht. Im abschließenden Vortrag des ersten Blockes geht es um archäologische Bezüge in „Death on the Nile“, „Murder in Mesopotamia“, „Appointment with death“, „The adventure of the Egyptian tomb“ und den entsprechenden Verfilmungen.
Co-Organisatorin Mia Dormer berichtete im ersten Vortrag des zweiten Blocks über die Verwendung der Forensik in „The Hollow“ und „Third girl“. Im Gegensatz zu Conan Doyle spielen Fingerabdrücke und gerichtsmedizinische Untersuchungen bei Christie durchaus eine Rolle. In „The Hollow“ sind es die fehlenden Fingerabdrücke an der Waffe, in „Third Girl“ erweist sich Normas Unschuld an der Tatsache, dass das Blut an der Leiche bereits geronnen war. Michelle Kazmer aus Florida nahm ihr Thema aus der letzten Konferenz wieder auf und referierte über Informationsverhalten – und wieder konnte ich ihr nicht ganz folgen. Chrissie Poulter vom Trinity College erläuterte in ihrem Referat die respektvolle Schilderung der Tätigkeiten der Dienstboten, die in den Verfilmung selten zum Ausdruck kommt. Merja Makinen stellte die These auf, dass Christie in ihren Westmacott-Romanen das traditionelle Bild der Ehe als „happily ever after“ in Frage stellt. Alan Hooker berichtet über Hexen und Übersinnliches in „The pale horse“ und den männlichen Zügen der vermeintlichen Hexen. Im letzten Vortrag des dritten Blocks stellt Rebecca Mills das personifizierte Böse in Form des Schuldigen in „Halloween Party“ dar. Im Anschluss an den Vortrag wurde die akademische Frage nach dem größten Bösewicht in Christies Oeuvre gestellt.
Den Abschluss des zweiten Tages bildet die Keynote address von Gill Plain über die Rolle der Frau in Christies Nachkriegswerken „The Hollow“, „Destination unknown“ und dem Westmacott-Roman „The rose and the yew tree“.
Abends findet im „Imperial“ ein Pub Quiz statt – rund um das Thema Agatha Christie. Unser Team erreicht immerhin den zweiten Platz (von dreien).

Der zweite Tag beginnt mit dem mysteriösen Verschwinden des ersten Vortragenden. Organisator Jamie Bernthal springt in die Bresche und referiert über das gestörte Kind am Beispiel von „Crooked House“. Brigitta Hudacsko aus Ungarn berichtet über eine Romanreihe von Katalin Barath, die zur KuK-Zeit spielt – mit einer Marple-ähnlichen Hauptfigur, nur jünger. Etwas abwegig der Part von Trisha Ray, der aufgrund der Abwesenheit der Autorin nur verlesen wird: eine Art Fan fiction, in der Poirot ein Problem in Indien löst.
John Cuuran arbeitet in seiner keynote address – wie immer präzise – die Schwächen in Endless Night heraus. Christie hatte diese Schwächen, so zeigt das Manuskript, das als eines der wenigen erhalten geblieben ist, extra auf Wunsch ihres Editors bei Collins, der die üblichen Elemente eines Krimis vermisste, in das Buch, das ansonsten ein Meisterwerk ist, einbauen müssen.

Am Nachmittag stehen Filme im Mittelpunkt. Mark Aldridge stellt die frühe Zusammenarbeit der Christie mit der BBC dar, die nicht immer unproblematisch war. Marjolijn Storm aus Saarbrücken berichtet von der ersten Verfilmung, dem Stummfilm „Die Abenteuer GmbH“ sowie dem Film „Orientexpess“ von 1944, mit Anklängen an den Christie-Roman. Sarah Street beschreibt anschaulich die EMI-Filme – beginend von „Murder on the Orient Express“ bis „Evil under the sun“. Im letzten Vortrag stellt Anna Farthing (Leiterin des Internationalen Agatha Christie Festival, früher Christe Week) das Konzept des Festivals vor. Wegen der Förderung durch den Arts Council muss die Veranstaltung „diverser“ aufgestellt sein: mit Angeboten für Kinder oder Hobbyschriftsteller. Ob sich die Konzeptänderung bewährt, muss sich noch erweisen. Bisher steht das Programm für September noch nicht fest. Farthing verspricht, dass erste Veranstaltungen ab Ende April online gebucht werden können. Weitere Programmpunkte sollen nach und nach bekannt gegeben werden. Sie sichert auch zu, dass es keine zeitlichen Überschneidungen ähnlicher Veranstaltungen geben wird. Man wird sehen. Carly Mays vom National Trust schildert, wie der Trust das ehemalige Feriendomizil der Queen of Crime übernommen und renoviert hat, die andauernden Erhaltungsarbeiten und das Konzept hinter der Ausstellung in Greenway. Einige Exponate hat sie auch dabei.
Damit endet eine abwechslungsreiche Konferenz mit unterschiedlichen Vorträgen – von unterschiedlicher Qualität. Einige Referenten müssen noch an ihrem Vortragsstil arbeiten: wenn man mit Top speed sein Manuskript abliest (ohne dabei kaum aufzublicken), ermüdet das die Zuhörer und macht es ihnen nicht leichter, dem zum Teil sehr abstrakten Stoff zu folgen.
Der Christie-Tradition folgend stelle ich die eine Enthüllung ans Ende, obwohl Sophie Hannah als erste Keynote Speaker die Konferenz eröffnete. Im ersten Teil erzählte sie ausführlicher, wie ihr literarischer Agent ihr den Job, einen neuen Poirot-Roman zu schreiben, verschaffte. Im zweiten Teil las sie das erste Kapitel ihres neuen Romans vor. Der Titel und die ersten beiden Wörter des zweiten Kapitels sowie weitere Informationen werden erst am 21. Mai verraten.

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