Abstecher nach Wallingford

2001 war ich mit Christie-Freund Norman in Wallingford gewesen. Morgens fahre ich von Paddington nach Cholsey. Vom kleinen Bahnhof (oder eher „Halt“) gehe ich zur Kirche, wo Agatha Christie und ihr zweiter Mann Max Mallowan beerdigt wurden. Eine freundliche Dame am Eingang der Kirche (der Gottesdienst ist gerade beendet und man trifft sich noch bei Tea or Coffee) weist mir den Weg. Das Grab ist in einem besseren Zustand als vor 20 Jahren, die Grabplatte wurde gereinigt. Am Grab liegen Widmungen ihrer weltweiten Fans, darunter auch eine Karte aus Deutschland. Inzwischen gibt es an der Kirche auch eine Tafel mit den Stationen des „Christie Trail“ von Cholsey nach Wallingford. Ich begebe mich auf den Trail und gehe auf einem sehr einsamen Footpath und durch Felder, öffne und schließe einige Viehgatter. Ich komme mir vor wie in St. Mary Mead. Kurz vor Ende des Fußwegs, muss ich noch ein Gleis überqueren. Dazu – laut Hinweistafel – soll man erst hören, ob sich ein Zug nähert und dann das Gattertor öffnen und dann vorsichtig, aber zügig das Gleis überschreiten. Am Ende des Footpath leider ein Kontrastprogramm: man landet auf einer viel befahrenen Landstraße mit einem schmalen Fußweg für beide Richtungen. Ich folge diesem und nach vielleicht einer Viertelstunde stehe ich vor Winterbrook House, wo die Agatha Christie mit ihrem Mann von 1934 bis 1976 lebte. Wallingford lag nahe an London und Oxford, wo ihr Mann eine Professur als Archäologe hatte. Agatha Christie konnte hier zurückgezogen an ihren Büchern arbeiten. Nur einige Bewohner wussten, dass im dem Städtchen die weltberühmte Agatha Christie wohnte. Man kannte sie weithin nur als „Mrs. Mallowan“. Nach ihrem Tod lebte Max hier mit seiner Sekretärin Barbara Parker, die er heiratete bis zu seinem Tod 1978. Barbara, auch Archäologin, lebte bis zu ihrem Tod 1993 in Wallingford. Anschließend wechselte das Haus mehrfach den Besitzer. Zeitweilig war es in deutschen Händen. Mittlerweile weist eine Blue Plague darauf hin, dass hier einst Agatha Christie lebte.

Ich wandere erst einmal in den malerischen Ortskern. Man fühlt sich in vergangene Zeiten zurückversetzt. Kein Wunder, dass der Ort eine beliebte Kulisse für die Midsomer Murders (Deutscher Titel: Inspector Barneby) war. Nach einer Mittagspause in der Alten Post, die heute ein Pub ist, gehe ich ins Wallingford Museum. Das verwinkelte Gebäude wirkt auf mich wie ein Miniatur-Ausgabe des Torquay Museums: etwas Archäologie, etwas Lokalgeschichte und Agatha Christie at Home und Midsomer Murders. Die Christie Ausstellung ist liebevoll gemacht, bietet aber kaum Exponate: Winterbrook House wurde nach Chrsties Tod mehrfach umgebaut, renoviert und saniert. Originalmöbel gibt es keine mehr. Ein Ordner mit Erinnerungen an die Mallowans, Jahrzehnte nach deren Tod, von Bewohnern Wallingfords, die sie zumeist als Kinder erlebt haben, rundet die Ausstellung ab. Am Interessantesten ein Auszug aus der Schulzeitung mit einem Interview, dass ein Krimi-begeisteter Schüler mit der Queen of Crime geführt hatte. Er hatte sie an der Tür um ein Interview gebeten und sie hatte sich Zeit für den jungen Mann genommen. Die Mallowans haben sich durchaus für das Gemeindeleben engagiert. Agatha ließ sich zur Präsidentin des Amateur-Theaters wählen, unter der Voraussetzung, dass sie keine Reden halten müsse. Häufig besuchte sie die Aufführung, inkognito. Für sie war immer ein fester Platz reserviert.

Nach dem Museumsbesuch setze ich mich in die Sonne auf die Bank gegenüber dem Museum. Es ist nicht irgendeine Bank, sondern sie wurde vom Künstler Ben Twiston-Davies, der auch für die Christie Statue im West End verantwortlich ist, geschaffen. Sie wurde im Vorjahr von Chrsties Enkel Mathew eingeweiht. Auf der Bank kann man sich neben einer Statue von Christie niederlassen.

Nach einem Cappuccino in den „Five Little Pigs“ nehme ich den Bus nach Didcot Parkway und fahre zurück nach Paddington. Leider ist der Zug überfüllt, es gibt keine Sitzplätze mehr und unterwegs bleiben wir für eine Weile wegen „Unbefugter auf dem Gleis“ stehen. Wie gut, dass ich für diesen Abend in London keine Show eingeplant habe!

Fotos von meinem Ausflug nach Wallingford in meinem Fotoalbum

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