Mord am Orientexpress

„Berlin tut gut“ hieß früher einmal ein Werbeslogan. Wenn ich in den letzten Jahren nach Berlin gefahren bin, kam es mir immer schmutziger und chaotischer vor. Mit einem hohen Stand an Armut und Obdachlosigkeit. Von den europäischen Hauptstädten, die ich in den letzten Jahren besucht habe, ist Berlin für mich am unattraktivsten.

Diesmal wohne ich nicht am Alexander Platz, sondern im alten West-Berlin am Kurfürstendamm. Denn ich habe ein Ticket für „Mord im Orient-Express“ am Theater am Kurfürstendamm. Nur liegt das Theater derzeit nicht am Kurfürstendamm. Das historische Theater wurde dort abgerissen und vorübergehend fand es eine Spielstätte im Schiller Theater. Mittlerweile ist man wohl an den Potsdamer Platz umgezogen.

Am Anreisetage habe ich noch etwas Zeit und besichtige das Museum und die Ausstellung am alten Checkpoint Charlie. Von da aus, laufe ich zu Fuß zum neuen Humboldt-Forum.

Am Samstagvormittag besichtige ich am Vormittag die St. Matthiaskirche, wo Kardinal von Galen zu Beginn seiner Laufbahn als Priester gewirkt hat. Dann fahre ich mit der S-Bahn zum Wannsee, und besichtige die Villa am Wannsee, wo 1942 die berüchtigte Wannseekonferenz stattfand. Eindrücklich zeigt die Konferenz, wie hier wie ein Verwaltungsakt die Vernichtungsaktionen durch die Nazis geplant wurden und wie viele Teilnehmer nach dem Krieg mit milden Strafen davon kamen.

Vor der Abfahrt ins Zentrum werde ich am S-Bahnhof noch Zeuge einer Festnahme und Leibesvisitation, vermutlich wegen eines Drogendelikts.

Beim Betreten des Theaters am Kurfürstendamm am Abend werde ich gleich darauf aufmerksam gemacht, dass zwei Schauspieler erkrankt sind und es keine Zweitbesetzung gibt. Stattdessen sind zwei Kollegen, die sonst hinter den Kulissen arbeiten, eingesprungen. Erst einmal erstehe ich fünf Programmhefte, was nichts Ungewöhnliches zu sein scheint. Je ein Heft davon geht nach Irland und England. Wegen Corona waren zunächst die Plätze im Schachbrettmuster verkauft worden: nur jeder zweite Sitz wurde besetzt. Da inzwischen die gesetzlichen Vorgaben gelockert wurden, wurden die restlichen Tickets später auch in den Verkauf gegeben. Mit dem Ergebnis, dass zunächst eifrig die Plätze getauscht werden, damit man auch neben dem Partner/der Partnerin sitzt.

Offenbar im Gegensatz zum Publikum gefällt mir die Inszenierung gar nicht. Katharina Thalbach spielt Poirot zwar glaubwürdiger als Sir Kenneth, aber dazu gehört auch nicht viel. Gelungen ist auch das Bühnenbild: der Speisewagen mit den einzelnen Abteilen darüber. Ansonsten ist die Aufführung albern und an der Grenze des guten Geschmacks. Sie erinnert mich ungut an Klimbim-Folgen in den 1970er Jahren mit ihrem Gekreische und albernen Texten. Der „Gag“, dass Poirot kein Franzose ist wird mehr als überstrapaziert. Der Co-Regisseur ist als Mr. Bouc eingesprungen, der Ersatz für „Mrs. Hubbard“ hat noch nie auf einer Bühne gestanden. Bei den anderen Schmierenkomödianten fällt das nicht weiter auf. Besonders unerträglich Colonel Arbuthnot als Karikatur eines schottischen Offiziers, mit seiner geschmacklosen Erörterung von Damenunterwäsche, der es auf dem Zugklo mit Miss Davenham treibt. Offenbar hat Frau Thalbach ihre halbe Familie in dem Stück untergebracht. Ihre Tochter spielt zum Beispiel Miss Davenham. Nach dem ganzen Klamauk ändert sich die Stimmung des Stückes radikal. Poirot alias Thalbach kämpft mit ihrem Gewissen, die Verantwortlichen für den Mord im Orientexpress davonkommen zu lassen.

Das Stück von Ken Ludwig wird später auch erfolgreich in Chichester aufgeführt. Und nicht als Klamotte wie in Berlin. Die hat erst Frau Thalbachs Bearbeitung aus dem Bühnenwerk gemacht.

Am nächsten Morgen verlasse ich schon um 10 Uhr wieder die Bundeshauptstadt. Leider hat sich der Besuch wenig gelohnt.

Fotos von meiner Berlin-Reise in meinem Foto-Album

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