Kaum aus den USA zurückgekehrt, startet im September mein nächster Urlaub. Von Düsseldorf fliege ich nach London. Dort geht es sozusagen zurück zu den Anfängen meiner England-Reisen. 1985 war ich zur Abschlussfahrt ein Jahr vor dem Abitur in London und wir wohnten damals im Wynfrid House, nahe der U-Bahn-Haltstelle Aldgate East. Später bin dort noch ein paar Mal abgestiegen, zuletzt 2004. Ich muss feststellen, dass sich das Viertel in den letzten zwanzig Jahren sehr verbessert hat. Zwei große Hotels befinden sich jetzt ganz in der Nähe des Wynfrid House sowie chice Restaurants.
Zwei Musicals habe ich mir für meinen dreitägigen London-Aufenthalt ausgesucht: „Grease“ und „Mrs. Doubtfire“. „Grease“ ist unterhaltsam. Peter Andre als Radio DJ „Vince Fontaine“ und Jason Donovan als „Teen Angel“ nehmen sich selber nicht ernst in ihren Rollen. „Mrs. Doubtfire“ gefällt mir aber deutlich besser. Alle Rollen von Daniel Hillard alias „Mrs. Doubtfire“ bis zu den Hillard-Kindern sind top-besetzt. Die Showeinlagen sind urkomisch und die Kostüme und das Bühnenbild sind absolut sehenswert. Es gibt keinen peinlichen Augenblick in der Show.
Als Voreinstimmung zum Christie-Festival fahre ich am zweiten Tag in London am Vormittag mit dem Zug nach Suningdale. Hier lebte Agatha Christie mit ihrem ersten Mann Archie. Das Haus benannte sie nach ihrem Erstlingswerk „Styles“. Es war aber kein glückliches Heim. Ihr Mann bat sie 1926 um die Scheidung, ausgerechnet als sie um die geliebte Mutter trauerte. Im Dezember 1926 verschwand die Autorin bekanntermaßen für elf Tage – die Motive und die Umstände sind bis heute offen. Vor 13 Jahren hatte ich zusammen mit meinem Freund Norman auf der Rückfahrt von Torquay versucht, das Haus ausfindig zu machen. Ein Anwwohner in der Straße in Sunningdale, in der wir das Haus vermuteten, erzählte uns damals, dass Haus sei vor Kurzem abgerissen worden. Wir hätten damals schon stutzig werden müssen, weil der Man auch behaupte, Brian Blessed wohne in der Nähe und sei vor Kurzem verstorben. Vor einigen Jahren erfuhr ich von Krimi-Spezialist Ralf Kamp, dass diese Aussage nicht stimmen kann, da er das Haus noch vor einiger Zeit besichtigt hatte. Und tatsächlich: mit Hilfe von Dr. Google gelingt es mir das Haus ausfindig zu machen. Vorher schaue ich mir auch den Golfplatz in Sunningdale an: hier spielte Archie Golf. Christie mochte diesen Sport nicht besonders und der Golfplatz ist auch Tatort in ihrer Kurzgeschichte „The Sunningdale Mystery“.
Als ich am frühen Nachmittag nach London zurückfahren will, fühle ich mich an die Zustände der Deutschen Bahn erinnert. Der Zug wird zwar in der Anzeige angezeigt, die Verspätung erhöht sich aber immer ständig um fünf weitere Minuten. An der Haltestelle befindet sich eine Sprechanlage, die ich für einen Notruf halte. Man kann sich aber offenbar damit mit dem Betreiber der Linie in Verbindung setzen. Davon macht eine energische Engländerin Gebrauch. Sie lässt sich nicht abwimmeln, als man ihr an der Hotline empfiehlt, mit einem lokalen Bus (den es gar nicht gibt) nach London zurückzufahren. Es gelingt ihr, dass man ein Taxi schickt, das uns, das sind sind die Engländerin, ein Franzose und ich nach London fährt. Wir kommen im Taxi ins Gespräch. Unsere Retterin ist Autorin und hat an dem Tag ein Interview mit BBC Radio Four, wo man schon auf sie wartet. Sie kann es zunächst nicht glauben, dass ich nur für Agatha Christie in das verschlafene Sunningdale gefahren bin. In London selbst bekommen wir eine Art Stadtrundfahrt: am Buckingham Palace vorbei bis zur Waterloos Station, wo uns der Chauffeur hinbringen muss, weil das die Endstation des ausgefallenen Zugs ist. Damit geht die abenteuerliche Fahrt zu Ende.
Fotos aus London in meinem Fotoalbum
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