Golden Jubilee week: 04.06.2002 (Dienstag): Die große Parade

Einige haben nach dem Pop-Konzert im Buckingham Palace im Green Park campiert, um sich einen guten Platz auf der Mall zu sichern. Ich bin dort eine gute Stunde vor dem Beginn der "Ceremonial Procession" und stehe immerhin in der sechsten Reihe. Schräg vor mir kann ich auf einem Großbildschirm die Fernsehübertragung gut beobachten. Immer wieder fahren Busse in Richtung Buckingham Palace mit "Minor Royals" und Prominenten an Bord, die anschließend in der Prozession der Königin zurück zur Paul’s Cathedral fahren. Dann marschieren Soldaten auf, berittene Soldaten reiten die Mall entlang.
Pünktlich um 10.30 Uhr fährt die erste Kutsche vor. Darin sitzen Prince William und Prince Harry sowie Prince Andrew und seine beiden Töchter. Eine Frau hinter mir meint über Prince William "Wenn der doch bloß 15 Jahre älter wäre". Prince Charles und seine Schwester Anne sind zu Pferd dabei. In der zweiten Kutsche sitzen Prince Edward und Prince Sophie gefolgt von Peter und Zara Philips und Princess Annes Mann, Commodore Timothy Laurcence. Dann folgt die goldene Staatskutsche, die letztmalig zum Silver Jubilee im Jahre 1977 benutzt wurde. Ebenso selten wird das passende Pferdegeschirr eingesetzt. Die Menge applaudiert, Fahnen werden geschwenkt. Und dann ist die Kutsche schon weitergefahren.
Nach der Reiternachhut beginnt sich die Menge aufzulösen. Einige bleiben aber für die Parade am Nachmittag stehen. Ich mache Rast im Hyde Park und esse Sandwiches. Dann gehe zur Victoria Coach Station und besorge mir für Donnerstag die Fahrkarte nach Warwick. Denn dann will ich das Castle besichtigen.
Nun will ich wieder zurück zum Buckingham Palace und zur Mall, doch am Buckingham Palace Gate ist schon kein Durchkommen mehr. Immerhin zweite Reihe. Es dauert gute anderthalb Stunden, bis die ersten Wagen des Nottinghill Carnival vorbeifahren. Normalerweise findet die Straßenparade nur in ihrem Stadtviertel statt, aber zu Ehren der Königin gibt es an diesem Tag eine Extra-Parade. Die Zwischenzeit überbrücken zwei Polizisten damit, ihre jeweilige Straßenseite zu immer neuen Laola-Wellen zu animieren. Unsere Straßenseite siegt in diesem "Wettstreit". Ich lerne, dass die englische Bezeichnung dafür "Mexican Wave" ist. Nach dem Carnival gibt es jetzt eine Parade, bei der Wagen die letzten fünf Jahrzehnte illustrieren mit ihren Schlagzeilen, ihren Ideen und Vorstellungen, der Mode und Essen und Trinken.
Nach der Parade soll die Absperrungen zur Mall geöffnet werden, die Menge zum Buckingham Palace strömen und die Königliche Familie wird dann auf den Balkon treten. Es dauert eine ganze Weile, bis das tatsächlich geschieht. Als von hinten schon Menschen nachströmen, werden sie höflich aber bestimmt von den Polizisten weggeschickt. Schließlich hätten die Leute vor ihnen mehrere Stunden gewartet. Überhaupt herrscht während der vier Tage eine freundliche und gelöste Atmosphäre. Obwohl über eine Millionen auf den Straßen sind, müssen nur drei Festnahmen vorgenommen werden, wie die Times später schreibt.
Auch als die Gitter weggeräumt werden, kann ich nur bis zur Ecke Buckingham Palace vordringen und sehe nur einen pinkfarbenen Punkt auf dem Balkon. Dann fliegen die Concorde und andere Flugzeuge in Formation über die Mall und den Palast, sie lassen blauen und roten Dampf ab. Ein Mann hinter mir kann jeden Flugzeugtypus identifizieren.
Als der Regen eingesetzt, beginnt die Menge sich endgültig aufzulösen. An der Victoria Station werden die Menschenmengen gesteuert: wer mit der Bahn fährt muss auf der linken Seite gehen, die U-Bahn-Fahrer rechts. Auf diese Weise werden die Besucher zu unterschiedlichen Eingängen geschleust und Gedränge und Staus vermieden.
Ich erwische bald eine U-Bahn und fahre zurück ins Wynfrid House.
Die neuen Gäste auf dem Flur sind – trotz ihres lautstarken Einzugs am Montagmorgen – überraschend ruhig und so ist die Nachtruhe gesichert.
Die Fotos zur Reise finden Sie in meinem Fotoalbum