Der letzte Tag auf dem Festival ist für mich wieder prall gefüllt. Der erste Vortrag ist für das Christie Festival recht ungewöhnlich. Mark Wiltshire ist vermutlich kein allzu großer Christie-Fan, sondern beruflich da. In seinem Vortrag „Agatha Christie and the Rolling Stone“ geht es um Charlie Watts. Als der Musiker 2021 starb, waren selbst enge Freunde überrascht, dass er eine umfangreiche Sammlung von Erstausgaben von Agatha Christie, Conan Doyle, P.G. Wodehouse und anderen Klassikern besaß. Mark Wiltshire arbeitet für das Aktionshaus Christie und war dort für die Auktionen der Sammlung zuständig. Dazu zählt nicht nur die Sichtung der Sammlung und ihre Verzeichnung einschließlich der Festlegung des Einstiegspreises, sondern auch die Vermarktung der Auktionen.
Watts hat nur die besten Ausgaben gesammelt. Wenn ein Umschlag fehlte, hat er später ihn von einem anderen Exemplar ergänzt. Bei den Erwerbungen aus dem Nachlass von Carlo Fisher, Agatha Christies Sekretärin und Vertraute fehlten immer die Umschläge. In seinem Privatanwesen hat Watts die Bände optimal aufbewahrt. Ob er er ein echter Fan oder die Sammlung mehr eine Art Wertanlage war, blieb unklar. Im Blog „Collecting Christie“, dessen Betreiber am Nachmittag einen Vortrag hält, wird ausführlich über die Auktion berichtet. Eine Frage in den Q & A beantwortet Mark Wiltshire mit vielen Worten nicht: wer den Erlös aus den Auktionen bekommen hat.
Mittags hält John Curran dann seinen Vortrag über Tommy und Tuppence und ihre „Detektei Blunt“. In dem Buch „Partners in Crime“ (Deutsch: „Die Büchse der Pandora) persifliert Christie damals bekannte Krimi-Autoren beziehungsweise deren Detektive. John nennt es eine Pastiche, keine Parodie. Heute sind die Autoren überwiegend obskur, zum Teil waren sie es schon, als das Buch erschien.
Am Nachmittag referiert David Morris, der Blogger vom schon erwähnten „Collecting Christie“, über die Schutzumschläge und deren Künstler. Angefangen von W. Smithson Broadhead, der – beauftragt von The Bodley Head – das Cover für das Erstlingswerk „The Mysterious Affair at Styles“ schuf. Ellen Edwards, die das Cover für „The Murder of Roger Ackroyd“ illustrierte, recycelte ihren Entwurf offenbar auch für andere Bücher. Beth Krebs Morris entwarf das Cover zu gleich drei Romanen (Peril at End House, 13 at Dinner und Parker Pyne, jeweils US-Ausgaben). Die Cover und ihre Künstler waren im UK und den USA dabei meistens unterschiedlich. Robin „Mac“ Macartney wurde quasi von Agatha Christie selbst entdeckt. Er war Architekt und unterstützte Max Mallowan bei seinen Ausgrabungen. Christie stellte sein künstlerisches Talent fest und er entwarf die denkwürdigen Cover zu Murder in Mesopotamia, Death on the Nile, Murder in the Mews und Appointment with Death. Die Umschläge waren Agatha Christie immer sehr wichtig und Morris bringt einige Zitate, wo sie gegenüber ihren Verlegern recht deutlich wird, wenn ihr die Entwürfe nicht gefallen.
Ragnar Jónasson ist kein Neuling auf dem Christie Festival. Als Schüler übersetzte er einige Christie-Romane ins Isländische. Mittlerweile schreibt er seine eigenen „Dark crime“ stories, die in viele Sprache übersetzt wurden und jetzt von Lasse Hallström verfilmt wurden. Der Australier Benjamin Stevenson ist dagegen Neuling auf dem Festival. Er ist Standup Comedian (mittlerweile muss es Farmen geben, wo diese Species massenweise gezüchtet wird) und Autor. Offenbar schlachtet er Christie Titel aus zu „Everyone On This Train Is A Suspect“ oder „Everyone In My Family Has Killed Someone“. Im Gespräch mit Jake Kerridge (Dauergast bei „Bodies from the Library) unterhalten sie sich über Schwierigkeiten beim Übersetzen. Offenbar, so Stevenson, unterscheidet man im Spanischen zwischen dem Schatten einer Frau oder eines Mannes. Daher fragte ihn sein Übersetzer, welcher Art „the shadow“ sei. Stevenson konnte das nicht beantworten, sonst hätte er zu viel verraten.
Der Abend endet mit Brad Friedman. Friedman, High school drama teacher, war schon einmal auf dem Festival in einem Online-Vortrag zu sehen. Nun ist er aus den Staaten angereist und hält die Abschlussveranstaltung über den Lieblingsfalls von Hercule Poirot: „Cards on the Table“. Wo es um das Bridge Spiel geht. Mittlerweile wird – so erfahre ich – Bridge anders gespielt als zu Christies Zeiten und so wären einige Spielzüge aus dem Roman heute so nicht mehr möglich. Zu meiner Verblüffung spielt niemand von meinen englischen Christie Freunden Bridge oder kennt überhaupt die Regeln. Nach dem informativen wie unterhaltsamen Vortrag soll es eine Bridge-Demonstration von Spielern des lokalen Bridge Clubs geben. Wir verlassen aber die Spanish Barn und gehen zum Dinner in ein Bistro, wo es ein ganz ausgezeichnetes Menü gibt.
Fotos vom Christie Festival in meinem Fotoalbum
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