Christies Pfarrer, die famous Flappers, die Royals und Rutherford

Mein letzter Tag in Torquay ist vollgepackt mit Vorträgen. Da es heute regnet, fahren ich mit „meiner“ Christie Group mit dem Taxi nach Cockington, statt den schönen Fußweg zu nehmen. Die Veranstalter haben als passende Location die kleine Kirche in Cockington gewählt für Jamie Bernthals unterhaltsamen wie informativen Vortrag über die Pfarrer in Christies Werk. Zu Beginn seines Vortrages enthüllt Jamie, dass er selbst ein gescheiterter Vicar sei. Gott sei Dank habe er noch gerade rechtzeitig erkannt, dass eine klerikale Laufbahn nichts für ihn sei. Agatha Christie, die selber religiös war, schuf viele Charaktere, die Geistliche waren. Jamie beschränkt sich in seinem Vortrag nur auf Vertreter der Anglikanischen Kirche. Es treten so viele Geistliche in Christies Büchern auf, dass man sich fragt, warum noch niemand zuvor dazu etwas veröffentlicht hat. In Murder at the Vicarage ist der Pfarrer sogar der Erzähler. Es gibt auch falsche Pfarrer wie Reverend Edward Chichester aus „The Man in the Brown Suit“. Oder zweifelhafte Kleriker wie der seltsame Reverend Stephen Lane in „Evil under the Sun“. Christies Pfarrer sind nicht die stereotypen Pfarrer anderer Autoren, sie sind immer sehr menschlich in ihren Schwächen.

Der nächste Vortrag ist für mich der schwächste während des diesjährigen Festivals. Er beschäftigt sich mit den Flappers der Zwanziger Jahre, wie sie in Gestalt von Tuppence Beresford (The Secret Adversary), Lady Eileen „Bundle“ Brent (The Secret of Chimneys und The Seven Dial’s Mystery) oder Anne Beddingfeld (The Man in the Brown Suit) im Christie Universum auftreten. Woher sich das Wort „Flappers“ ableitet, kann die junge Universitätsmitarbeiterin nicht sagen.

Am Nachmittag hält Julius Green einen Vortrag über die Royals und die Queen of Crime. Viele Mitglieder der königlichen Familie waren Fans von Agatha Christie, die in ihrer Lebenszeit sechs Monarchen auf dem Thron erlebte, während die meisten Menschen heutzutage nur Königin Elizabeth II und seit wenigen Monaten King Charles III miterlebt haben. Queen Mary las sehr gerne Agatha Christie und so wünschte sie sich zu ihrem Geburtstag ein Hörspiel ihrer Lieblingsautorin. Christie schrieb darauf „Three Blind Mice“, das sie später zu dem Dauerbrenner „Die Mausefalle“ adaptierte. Bei Premieren von Christies Stücken oder Jubiläen der Mausefalle waren Royals häufig Ehrengast. Lord Mountbatten war einer der Ideengeber für The Murder of Roger Ackroyd, wofür Christie ihm in einem Brief in ihren letzten Jahren noch dankte. Die Queen of Crime war selber Royalistin. Bei der Premiere von „Murder on the Orient Express“ trat Christie – an einen Rollstuhl gefesselt – zum letzten Mal öffentlich auf. Für die Queen aber erhob sie sich aus ihrem Rollstuhl.

Zum Ausklang hielt Mark Aldridge, bewährter Vortragender bei jedem Christie Festival, eine Art Preview auf sein neues Buch über Miss Marple, „Expert on Wickedness“. Wegen der Fülle des Stoffes konzentrierte er sich auf die ersten Dekaden der Beobachterin der menschlichen Schwächen im Mikrokosmos des englischen Dorflebens. Im Anschluss wird „Murder at The Gallop“ gezeigt. Ich habe diesen Film, den ich als Kind geliebt habe, lange nicht gesehen. Unterhaltsam ist er, wenn er auch mit der Buchvorlage so gut wie gar nichts zu tun hat.

Festival-Frontmann Mark Newbury und Tony Medawar im Hintergrund haben das beste Christie-Festival seit Langem auf die Beine gestellt. Zu hoffen ist, dass Torre Abbey im nächsten Jahr saniert ist und das Café wieder geöffnet ist. Der „Notbetrieb“ in Spanish Barn, wo gleichzeitig die Vorträge stattfinden, war suboptimal. Ebenso die unbeleuchteten Dixie-Klos vor der Barn.

Fotos aus Torquay in meinem Fotoalbum

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