Norman weiß, wo die Leichen liegen

Schon länger hatten Norman und ich einen Besuch auf dem Friedhof in Kensal Rise geplant. Norman hat schon mehreren Freunden die Gräber von bekannten Persönlichkeiten gezeigt. „I know, where the bodies are“, sagt er.

Er zeigt mir das Grab von William Wilkie Collins, dem ersten britischen Krimiautor (u.a. „The Moonstone“). Ein persönliches Anliegen ist Norman die Sanierung der Grabstädte des britischen Bühnenschriftstellers Terence Rattigan. Zusammen mit Gleichgesinnten hat er Gelder dafür gesammelt und Schauspieler wie Kenneth Branagh und David Suchet haben großzügig gespendet. Das Familiengrab der Eisenbahn-Ingenieure der Brunels ist hier zu finden.

Am Abend sehe ich mir dann „Dear Evan Hansen“ an. Das Musical ist ein Phänomen der letzten Jahre. Die jungen kreative Künstler Benj Pasek und Justin Paul („The greatest showman“, „La La Land“) sowie Autor Steven Levenson begannen das Projekt bereits 2014 mit Lesungen und Workshops. Auch der erste „Evan Hansen“ Ben Platt war bereits in dem frühen Stadium involviert. 2015 wurde des Musical in Washington DC uraufgeführt, bevor es (zunächst off-Broadway) in New York gespielt wurde. Zahlreiche Preise (darunter den Tony Award und den Oliver) wurden dem Stück verliehen. Und ein Reigen von Darstellern übernahmen von Ben Platt das ikonische Polo-Shirt, darunter Noah Galvin und Andrew Barth Feldman.

Trotz der eingängigen musikalischen Nummern (Songs) wirkt das „Dear Evan Hansen“ eher wie eine Bühnenstück. Die Bühnenausstattung ist äußerst spartanisch (zweite Betten, ein Esstisch, zwei Sofas). Ein besonderer Effekt sind die Video-Wände mit den ständig eingeblendeten Posts und Status-Updates. Die „sozialen“ Medien, spielen eine große Rolle in der Handlung.

Das Stück handelt von dem High School Senior Evan Hansen, der sich als übersehen wahrnimmt und dem schwerfällt, soziale Kontakte aufzunehmen. Doch nicht nur die Jugendlichen sind planlos, auch seine alleinerziehende Mutter sucht einen Plan („Anybody got a map?“), wie sie ihrem Sohn helfen kann. Zeitgleich hat die Familie Murphy Erziehungsprobleme. Die Eltern des drogensüchtige Sohn Connor wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen.

Trotz der ernsten Thematik (Angstzustände, Selbstmord) ist das Stück erstaunlich witzig – ohne geschmacklos oder oberflächlich zu sein.

Die Dinge überschlagen sich, als ein Brief, den Evan als Hausaufgabe seines Therapeuten an sich selbst geschrieben hat (Daher der Titel „Dear Evan Hansen“) bei Connor, der sich das Leben genommen hatte, gefunden wird und seine Familie glaubt er und Evan seien gute Freunde gewesen.

Grandios auch die Londoner Cast, die das Stück seit 2019 (mit Unterbrechungen im Lockdown) Abend für Abend aufführt. Zunächst sehe ich die Drittbesetzung Ellis Kirk in der Titelrolle (auch sehr gut!), am Montag Sam Tutty, der für sein Debut am West gleich einen Tony Award und andere Preise gewann. Ob Zeit- oder Hauptbesetzung, alle Schauspieler sind herausragend – gesanglich wie schauspielerisch.

Für mich ist „Dear Evan Hansen“ das beste Musical seit Billy Elliot.

Fotos in meinem Fotoalbum.

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