Blausäure - Vergleich unterschiedliche dt. Übersetzungen

Fragen und Gedanken zu den Büchern der Queen of Crime
Antworten
Benutzeravatar
Agarallo
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1393
Registriert: 28.12.2006, 01:00
Wohnort: Thüringen

Blausäure - Vergleich unterschiedliche dt. Übersetzungen

Beitrag von Agarallo »

Vergleichende Analyse zweier deutscher Übersetzungen von
"Sparkling Cyanide" ("Blausäure") aus dem Jahre 1945.

Außer einer Kurzbiographie von Agatha Christie werden hier in einer
Diplomarbeit die unterschiedlichen Übersetzungen mit dem Orginal verglichen.

Ist sicherlich nicht nur für MARK interessant. :wink:

http://buedo22.uni-graz.at/pub/diplomar ... da2226.pdf
Benutzeravatar
mark
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1766
Registriert: 14.10.2007, 13:03
Kontaktdaten:

Beitrag von mark »

Mit mir hast Du's hier. :D :wink:
Schaue ich mir gleich mal an.

Hast Du eigentlich die Antworten auf Deine Fragen im thread eins unten drunter gelesen (warum AC-Bücher lesen...)? Da schreibt man persönliches (nach Aufforderung), und dann antwortet nicht mal jemand! :?
"Mit diesem Tee könnte man Schiffsplanken streichen!"
Benutzeravatar
Agarallo
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1393
Registriert: 28.12.2006, 01:00
Wohnort: Thüringen

Beitrag von Agarallo »

mark hat geschrieben:
Da schreibt man persönliches (nach Aufforderung), und dann antwortet nicht mal jemand! :?


Vielleicht sind die A.C.-Fans ja auf Mörderjagd... :wink:
Benutzeravatar
mark
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1766
Registriert: 14.10.2007, 13:03
Kontaktdaten:

Beitrag von mark »

Ach, wär das schön bei so wasmal mitzumachen. Kenne da jemanden, den ich so gar nicht mag. :D :D :wink:
"Mit diesem Tee könnte man Schiffsplanken streichen!"
Benutzeravatar
Agarallo
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1393
Registriert: 28.12.2006, 01:00
Wohnort: Thüringen

Beitrag von Agarallo »

Stelle noch mal passend zum Thema einen Zeitungsartikel von Lutz
Krützfeldt (Neue Züricher Zeitung) rein:

Tradition und Abstraktion
Agatha Christie in neuer Übersetzung

Agatha Christie ist für viele Literaturkritiker der Inbegriff einer verstaubten Krimiautorin: Ihre Werke seien unrealistische Rätselspielereien, wohingegen sich der Krimi inzwischen zu einem wirklichkeitsbezogenen Roman über das Verbrechen und seine Aufklärung gemausert habe. Mehr Milieu, mehr Psychologie, mehr brisante Themen – das sind die Kriterien, die für das Zeitgemässe neuerer Autoren zeugen sollen und deren Verfehlung Agatha Christies Romanen vorgehalten wird. Die Kritiker übersehen allerdings, dass ihre Massstäbe selbst nicht ganz taufrisch sind, sondern sich vom Realismus des 19. Jahrhunderts herleiten. Agatha Christies Modernität besteht gerade darin, dass sie sich von diesem Realismus abwandte und den Kriminalroman der abstrakten Kunst annäherte – analog zur Entwicklung in der modernen Malerei, bei der das Figürliche immer stärker zugunsten reiner Farb- und Formanordnungen zurücktrat.

Bei Christie zeigt sich die Tendenz zur Abstraktion in einem alles durchdringenden Funktionalismus. Ihre Figuren sind weniger individuelle Charaktere als Rädchen im Getriebe der Handlung und Spielmarken im Roulette der Verdächtigen. Zwar verwendet sie auf Milieu und Charakter weit mehr Mühe als gemeinhin angenommen. Doch sie dienen ihr primär als der Leim, auf den der Leser mit seinen traditionellen Erwartungen gehen soll. Die Sympathieäusserungen Hercule Poirots oder die ironische Darstellung dörflicher Idylle haben immer auch die Aufgabe, von den entscheidenden Indizien abzulenken. Der Leser gerät so zwischen die Fronten traditionellen und funktionalen Erzählens. Darin spiegelt sich die in allen Romanen Christies zu findende Konfrontation zwischen einer hergebrachten Ordnung, die auf Werten und persönlichen Verdiensten zu beruhen scheint, und einer gesellschaftlichen Maschinerie, die gleichgültig dem Gesetz von Angebot und Nachfrage oder, kriminalistisch gesprochen, von Gelegenheit und Motiv folgt.

Neu und ganz

Zu der Geringschätzung Agatha Christies haben im deutschsprachigen Raum nicht nur das Realismussyndrom ihrer Kritiker, sondern auch die hölzernen Übersetzungen ihrer Romane beigetragen. Sicherlich, Agatha Christie ist eine Erzähl- und keine Sprachkünstlerin, aber wer sie bisher auf deutsch las, musste sie darüber hinaus für eine schlechte Stilistin halten. Daher ist es dem Scherz-Verlag hoch anzurechnen, dass er eine grundlegende Neuübertragung ihres Werkes in Angriff genommen und dafür bekannte Krimiautorinnen und Übersetzer/Übersetzerinnen verpflichtet hat. Die alten Ausgaben waren oft grausam gekürzt, die Kapitelüberschriften fehlten, und die Untergliederungen der Originale wurden zugunsten einer einfachen Kapitelzählung ignoriert. Hier Abhilfe zu schaffen bedeutet allein schon ein Plus für die neue Edition.

Im «Mord im Pfarrhaus» fungiert als Ich-Erzähler ein Pfarrer, der theoretisch für Patriarchat und Zölibat eintritt, praktisch aber weder seinen Haushalt noch seine Libido unter Kontrolle hat, sondern von seiner «verwirrend hübschen», zwanzig Jahre jüngeren Ehefrau mit Freude um den Finger gewickelt wird. Die Darstellung dieser ironischen Widersprüche hat man in der alten Übersetzung rigoros zusammengestrichen. Zudem fielen die sprachlichen Feinheiten unter den Tisch. Der Pfarrer unterstellt etwa seiner unbotmässigen, aber von der Ehefrau protegierten Hausangestellten, sie betrachte ihren Dienst nur als «a stepping-stone to better things and higher wages». Die alte schulmässige Übersetzung «ein Sprungbrett zu etwas Besserem und höherem Lohn» zerstört die sprachliche, bis ins Metrum reichende Einheit des englischen Originals und bringt die darin versteckte doppelte Ironie um ihre Wirkung: die Ironie des Ich-Erzählers gegen seine Angestellte, für die seiner Meinung nach «bessere Dinge und höheres Gehalt» (so adäquater die neue Übersetzung) zusammengehen, und die Ironie gegen den Erzähler selbst, dem ja auf gleiche Weise die höheren Ansprüche im Profanen und Allzumenschlichen versickern. Ein weiteres Beispiel: Widmete sich Hercule Poirot im «Mord im Orientexpress» früher «der Aufgabe, seinen Schnurrbart möglichst wenig mit Fleischbrühe zu benetzen», so versucht er jetzt – prägnanter, witziger und der englischen Fassung entsprechend – «seinen Schnurrbart aus der Suppe zu halten».

Absichtlich wurden hier eher unscheinbare Beispiele gewählt. Man hätte auch sinnwidrige Fehler als Beleg für die Schwächen der alten Übersetzungen anführen können. Aber neben ihrer Vollständigkeit liegt die entscheidende Leistung der neuen Übertragungen in den unzähligen kleinen Verbesserungen, die in der Gesamtheit dazu führen, dass man Agatha Christie auf deutsch nicht mehr nur plotorientiert liest, sondern sich erstmals an einem flüssigen und oft äusserst ironischen Stil erfreut.

Solides Fundament

Es sei nicht verschwiegen, dass die Neuübersetzung von «Blausäure» etwas salopp geraten ist, dass sich vor allem in «Zehn kleine Negerlein» einige ärgerliche Fehler, Ungelenkheiten oder Abschwächungen des Originals eingeschlichen haben und dass man bei der Neuausgabe von «Der Tod auf dem Nil» nach wie vor eine abweichende Kapitelzählung verwendet und auf den Abdruck des für den klassischen Detektivroman typischen Lageplans verzichtet hat. Doch solche Einschränkungen können den positiven Gesamteindruck nicht wesentlich beeinträchtigen, den die ansprechende Aufmachung der gebundenen Bände und die gelungene Auswahl für die Kassette abrunden. Die Zusammenstellung beschränkt sich wohlweislich auf Romane bis 1945, wobei der Schwerpunkt auf Christies stärkstem Jahrzehnt, den dreissiger Jahren, liegt. Als unerlässlicher Klassiker fehlt nur «Alibi» – sonst gibt die Kassette einen perfekten Grundstock für die Lektüre Agatha Christies ab. Vielleicht gewinnt durch sie die Autorin nun auch im deutschen Sprachraum etwas mehr literarische Anerkennung.
Benutzeravatar
mark
Dauer-Schreiber
Dauer-Schreiber
Beiträge: 1766
Registriert: 14.10.2007, 13:03
Kontaktdaten:

Beitrag von mark »

NZZ mag ich sehr.
Lese den Artikel nachher in Ruhe offline.
Danke!! :wink:
"Mit diesem Tee könnte man Schiffsplanken streichen!"
Antworten